Charakteristik

Siegfried Lenz: Arnes Nachlass


Aufgabe: Charakterisiere Lars, und nimm dabei Bezug auf möglichst viele Textstellen !

 

In dem Roman „Arnes Nachlass“ von Siegfried Lenz, der im Deutschen Taschenbuch Verlag erschienen ist, spielt Lars zwar keine Haupt-, aber eine äußerst wichtige Nebenrolle.

 

Er ist anfangs 15 Jahre alt und gehört zu der Familie, die Arne aufnimmt. Von dieser Veränderung in der Familie ist er offensichtlich nicht begeistert. Er verhält sich Arne gegenüber kühl und lässt nie den Gedanken aufkommen, dass er Arne als Bruder oder gar als Freund akzeptiert. Das wird bereits in der Leuchtturm-Episode deutlich: Obwohl die Mutter alle Kinder darauf hingewiesen hat, bitte freundlich zu Arne zu sein, begrüßt Lars ihn nur flüchtig, und anstatt ihn herzlich aufzunehmen, wünscht er nur „gute Nachbarschaft“ (S. 14). Des Weiteren hält er es für überflüssig oder zumindest verfrüht, Arne zu erlauben, die Eltern als Onkel und Tante zu bezeichnen (S. 17). Auch im weiteren Verlauf der Geschichte macht Lars nie den Versuch, eine Freundschaft mit Arne zu schließen. Im Gegenteil, er versucht stattdessen, ihn möglichst auf Abstand zu halten. Lars selbst gehört zu einer Clique, bestehend aus ihm, Wiebke, Peter Brunswik und Olaf Dolz. Er ist daher auch nicht auf Arne angewiesen, den er für langweilig hält. Arne dagegen hält viel von ihm und dem Rest der Clique und möchte gerne zu ihnen gehören, was ihm aber nicht gestattet wird.

 

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Nachtglas-Episode, in der Lars mit der Clique und Arne mit Hans in die Werft zu einem neu angekommenen Getreidefrachter hinausfährt, um dort nach zurückgebliebenen “Schätzen“ zu suchen. Die Clique sitzt an Bord des Schiffes noch zusammen, begutachtet ihre Funde und tauscht Freundschaftsbänder aus rotweißer Schnur aus. Arne kommt hinzu, will ihnen das Nachtglas zeigen, das er gefunden hat, und legt sich auch ein Band um das Handgelenk. Doch da springt Lars dazwischen, entreißt ihm die Schnur und sagt, dass das nichts für Arne sei. Er warnt ihn davor, die Schnur anzurühren und weist ihn darauf hin, dass er unerwünscht ist  (S. 60). Lars ist es dabei nicht wichtig, ob er Arne verletzt, und auch viel später ist er noch stolz darauf, dass nie jemand es wirklich geschafft hat, in die Clique hineinzukommen.

 

Das ist erkennbar in der Schnur-Episode, in der Lars beim Anblick der Schnur auch erwähnt, dass Arne anders war als sie alle, nicht zu ihnen gepasst hat, und dass keiner von ihnen ihn hat aufnehmen wollen. Darum wundert er sich auch, dass in Arnes Nachlass dennoch eine rotweiße Schnur zu finden ist, bis Hans ihn darüber aufklärt, dass sie ursprünglich einmal als Geschenkband gedient hat, Arne aber viel wichtiger gewesen sei als der Rest des Päckchens (S. 96- 97). Lars will zwar Arne nicht anerkennen, war aber dennoch bereit, Geld von ihm anzunehmen, auch wenn das bedeutet, ihn auszunutzen (Sparbuch- Episode; S. 79, 82, 83). Abgesehen davon hat Lars auch sonst einen eher fragwürdigen Charakter. Er ist immer sehr auf sich selbst bedacht, gibt anderen die Schuld an seinem eigenen Versagen (Sparbuch-Episode; S. 73) und hält sich für lässig, rebellisch und toll (Leuchtturm-Episode; S. 14 und Schnur-Episode; S. 95). Er verhält sich spontan so, wie es ihm gerade gelegen kommt, und handelt zu seinem Vorteil, ohne dabei Wert auf die Meinung anderer zu legen oder ihnen Respekt entgegenzubringen. Ein Beispiel hierfür ist sein Vorschlag, das restliche Geld von Arnes hinterlassenem Sparbuch abzuheben und es selbst zu verwenden (Sparbuch-Episode; S. 74). Lars macht sich nie viele Gedanken über die Gefühle von anderen, er behandelt sie, wie es ihm gefällt, ohne an die Folgen zu denken.

 

Das beste Beispiel, um diese Eigenschaft aufzuzeigen, ist die Buddel-Schiff-Episode, in der Lars Arne zum letzten Mal begegnet. Es ist der Vormittag nach dem Diebstahl, und Lars und Wiebke begegnen Arne, als er gerade aus dem Kontor kommt. Er will die beiden vermutlich um Verzeihung bitten, doch sie ignorieren Arne vollkommen und gehen einfach an ihm vorbei, kälter und abweisender als jemals zuvor. Hierbei bedenkt Lars nicht, wie Arne sich fühlen muss, er sieht ihn lediglich als Verräter, der es nicht verdient hat, dass man ihm verzeiht     (S. 198). Dass dieses Verhalten vermutlich der letzte ausschlaggebende Grund für Arne war, sich umzubringen, wird Lars vermutlich erst viel später bewusst und er will es nicht wahrhaben, da er sonst die Schuld auch immer anderen gibt. Er möchte sich nicht eingestehen, etwas falschgemacht zu haben, und versucht sich krampfhaft an dem Gedanken festzuklammern,  dass Arne vielleicht irgendwann zurückkehrt. Das wird erst in der Buddel-Schiff-Episode ganz zum Schluss deutlich, in der Lars es nicht ertragen kann, Arnes gesamte Habe endgültig in Kiste Verstaut zu sehen. Er will nicht erlauben, dass endgültig jeder davon überzeugt ist, Arne niemals wieder zu sehen, und beginnt alle Sachen wieder auszupacken. Dabei ist es besonders auffällig, dass er jedes Teil genau an seinen bisherigen Platz zurückstellt, obwohl er sich nie für Arnes Sachen interessiert hat, geschweige denn dafür, wo sie hingehörten. Daraus lässt sich schließen, dass ihn Arnes Verschwinden schon lange sehr beschäftigt hat.

 

Ich denke, dass Lars einen schwachen Charakter mit einigen schlechten Eigenschaften hat. So zum Beispiel Egoismus, Eitelkeit, Unentschlossenheit und auch Ungeduld. Jedoch scheint er ein Gewissen zu haben, das nur leider nicht sehr ausgeprägt ist und sich nur bei sehr ernsten Angelegenheiten sichtbar meldet. Trotzdem lässt dieses schwache Gewissen für Lars noch zu hoffen, dass er es schafft, sich zu ändern und freundlicher und überlegter zu handeln.

 

 

Sandra E. (15), Chefredaktion

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